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Nachts hinter den Klostermauern

Blutkrusten

Ich hatte mir eigentlich nie träumen lassen, daß das Leben eines Schriftstellers in irgendeiner Art und Weise besonders wäre. Nun gut, ich merkte schon, daß man mit einer gut geschriebenen Geschichte durchaus positive Reaktionen erwecken kann. Bisher allerdings wurde ich von außergewöhnlichen Auswirkungen verschont. Doch seit ich hier in Schleiden bin, hat sich das radikal geändert.Vielleicht muß man dazu Eifelkrimis schreiben, da müßten die Damen und Herren Kollegen sich einmal äußern. Denn was sich hier in diesem kleinen, verträumten Städtchen in der Nordeifel abspielt, das ist schon originell.

So gibt es hier ein winziges Kloster mit ein paar Nonnen , die im benachbarten Altersheim arbeiten. Und wenn man sich auf der Straße trifft, dann hält man halt ein kleines Schwätzchen. Unter anderen lernte ich dabei Sr. Maria Jacoba kennen, eine bekennende Kölnerin, die von der Katholischen Kirche gern nach Westfalen strafversetzt wird (was für den Rheinländer bekanntlich die diesseitige Form des Fegefeuers darstellt, die nur noch mit Umsteigen in Düsseldorf gehöht werden kann).

Nun bin ich zwar Protestant, was den ortsansässigen Küster veranlaßt, mich ebenso liebevoll wie hartnäckig als „den Antichristen“ zu bezeichnen, doch der Rheinländer ist laut Jürgen Becker immer katholisch, egal wie er jetäuft ist. Also fanden die Plaudereien mit Sr. Maria Jacoba auch völlig unschuldig ihren Niederschlag im „Totenkammerwald“, wie jeder weiß, der es sich einmal zu Gemüte geführt hat.

Schon als ich sie fragte, ob sie damit ein Problem hätte und ich sie als Vorlage nehmen dürfte, war ich zart überrascht, denn sofort erzählte sie mir vergnügt, daß sie einmal auch beinahe als junges Mädchen unter der Schulbank einen Roman geschrieben hätte, aber da wäre dann nichts daraus geworden, doch vor allem Sr. Anette, also die würde ja immer Krimis lesen!

Was machen ältere Nonnen denn nun wirklich nachts? Beten? Schlafen? Sticken? Auf „Krimis lesen“ hätte ich im Leben nicht gesetzt, doch ich sollte eines besseren belehrt werden.

So empfing mich vor drei Wochen meine sichtlich fassungslose Gefährtin beim Heimkommen und berichtete, daß vor einer Stunde mehrere Nonnen, offensichtlich das gesamte Kloster (welches man sich ruhig sehr überschaubar vorstellen darf), da gewesen seien, die sich ihre „Totenkammerwald“-Ausgaben signieren lassen wollten. Und wenige Tage später klingelte dann Sr. Maria Jacoba höchstselbst, quasi als Abordnung, mit einem Stapel meiner Bücher, die ich dann als Weihnachtsgeschenke signieren sollte: eins für die Schwester Oberin, eins für den Leiter des Altenheims, eines für den Bruder sowieso und so weiter und so fort. Und sie erzählte, also die eine habe es in einer Nacht ausgelesen und die andere würde es immer wieder lesen und sie selber nur in kleinen Häppchen, weil die Augen ja so schlecht seien. Aber gelesen hätten es alle und sie fänden es soo toll!

Ich finde es sehr aufregend zu haben, in Leselisten zwischen Bibel und Brevier aufzutauchen und mich dort mit meinem kleinen Eifelkrimi in die klerikale Fachliteratur einzuschmuggeln. Doch macht es mich auch immer wieder nachdenklich: Was hätte Jesus dazu gesagt? Hätte er ihn auch gelesen? Oder gar verlegt? Und nachdenklich blicke ich nach Hillesheim – nein, nein, das geht nun wirklich zu weit!