Die Festtage sind vorbei, und man nähert sich langsam, aber sicher so etwas wie einem geregelten Alltag. Die Eifel versinkt in weich-wattigem Schnee und versucht etwas bemüht den Eindruck einer unverfänglichen Winterlandschaft zu erwecken. Doch wir, die wir um die Wahrheit hinter den Kulissen wissen, wir Eifelkrimigestählten, wir lassen uns nicht täuschen, und das ist gut so.
Man könnte als nüchterner Mensch behaupten, die Eifel sei nicht krimineller als andere Gegenden Deutschlands. Um ehrlich zu sein habe ich auch diese Meinung vertreten, aber mittlerweile werde ich doch nachdenklich. Und je länger ich hier vor Ort das Tun und Treiben der Eifeler Wohnbevölkerung beobachte, desto mehr komme ich zu dem Schluß, daß hinter allem ein großes, schauderliches Geheimnis wohnt.
Auf die Spur dessen gelangte ich nach einer Lesung in Nideggen. Ich las „Holz vor der Hütte“, aus dem Band „Tatort Eifel 2“, und um den wenigen, die nicht wissen, worum es sich dabei dreht, auch die wesentlichen Grundinformationen zugänglich zu machen, verrate ich, daß es in der Geschichte um Holzdiebstahl geht. Das ist hier so, schließlich ist Eifel, und da hat es in realiter den Sensationswert eines Taschendiebstahls auf der Kölner Domplatte. Nach der Lesung kam ein Mann zu mir, stellte sich als Bombenfachmann der Bundeswehr vor (ich erwähnte es schon einmal, als Kriminalschriftsteller lernt man Leute kennen, das ist sagenhaft) und erzählte folgende Geschichte:
Er wurde in ein kleines Eifeldorf gerufen, wo ein Mann, der gerade im Begriff gewesen war, seinen Ofen zu stochen, in einem Brennholzscheit eine Sprengladung gefunden hatte. Große Aufregung, langwierige Ermittlungen wegen versuchten Mordes, Spurensuche, DNA-Abgleiche wurden vorgenommen: Sprengstoff in der Eifel, man vermutete al Quaida am Werk. Bis man die Bewohner im Dorf befragte, ob sie etwas beobachtet hätten. Da guckte ein altes Bäuerlein sehr verschmitzt (was in der Eifel so aussieht, daß er lange und regungslos in die Ferne schaut, um schließlich das Gespräch mit einer Art Grunzen zu eröffnen) und fragte:
„Wor dat Holz schon e beßje älter?“
Man war erstaunt, sah noch einmal nach und als man schließlich herausfand, daß das Brennholz mitsamt dem Haus vor einiger Zeit den Besitzer gewechselt hatte, wurde folgendes klar: in der Eifel war es früher, nun, vielleicht nicht üblich, aber es kam wohl durchaus vor, daß man sein Brennholz vor Diebstahl schützte, indem man in das ein und das andere Scheit kurzerhand ein wenig Sprengstoff einarbeitete. Und wenn dann Holz verschwand, brauchte man nur zu warten, bis irgendwo im Dorf ein Ofen in die Luft flog, so daß man nicht nur wußte, wer den Diebstahl begangen hatte, sondern auch, daß dieser ihn wohl nicht wiederholen würde…
Ich möchte so etwas als „Eifeler Lösung“ in die Entscheidungstheorie einführen. Es gibt ja die Kölsche Lösung, die vor allem im Verborgenen ausgehandelt zu sein hat, die sich dadurch auszeichnet, daß hinterher alle besser dastehen als vorher und miteinander einen trinken gehen. Die „Eifeler Lösung“ ist völlig anders. Vor allem ist sie eins: eindeutig. Darüber hinaus ist sie geradlinig und bisweilen etwas rustikal, damit aber auch höchst effektiv.
Ein Bekannter von mir, der in seinem Haus einen wunderschönen Fernblick hat, machte diesen unverbaubar, indem er einfach, kurz bevor das Gebiet zum Bauland erklärt wurde, alle infrage kommenden Grundstücke aufkaufte – „Eifeler Lösung“. Kein Prozeß, keine Aufregung, nur ergebnisorientiertes Handeln.
Fußballfans mögen sich noch an den sogenannten „Eifel-Django“ erinnern, ein aus Mechernich gebürtiger Schiedsrichter, der vor Jahresfrist zwei Spieler mittels zweier gleichzeitig gezückter Gelber Karten auf einmal verwarnte – klare Sache, „Eifeler Lösung“, wobei der Rest der Republik seltsamerweise gar kein Verständnis für derartig sinnvolles Tun hegt.
Und dies, behaupte ich, ist das wahrhaft unheimliche an den Menschen in der Eifel: Sie sind anders, sie denken anders und stellen damit für den Normaldeutschen ein völlig unkalkulierbares Naturphänomen dar. Ob das nun wirklich immer kriminell ist, wollen wir mal dahin gestellt sein lassen, aber ich kann mich tiefer Sympathie und Zuneigung zu diesem Menschenschlag nicht erwehren, weshalb ich auch sicher bin, irgendwann selber einmal Gegenstand einer „Eifeler Lösung“ zu sein. Ich bin gespannt.