Skip to content
 

Bankdrücken

Blutkrusten

Große Aufregung in Schleiden: der Everling schreibt einen Schleidenkrimi und präsentiert den in Wolfert! Was ist denn da los?

Ja, was kann da schon los sein? Die Bibliothek in Wolfert hat mich gefragt, und als sie mir dann auch noch ein kleines Honorar anbot, war ich nur zu willig zuzusagen, Schleiden hin oder her.

Da der Eifeler recht pragmatisch in finanziellen Dingen ist, wird diese Erläuterung auch immer mit sehr verständigem Kopfnicken akzeptiert. Doch weil das Unglück halt doch so groß zu sein schien, überlegte ich, wo denn hier vor Ort eine Lesung möglich sei. Und nachdem ich einen dezenten Hinweis erhalten hatte, kontaktierte ich eine Schleidener Bankfiliale (ich sag’ nicht welche, aber die Kreissparkasse war’s nicht)

Der junge Mann am Telefon war sehr aufgeschlossen: Ja, das wäre eine tolle Idee, Krimi über Schleiden, sie würden zu gerne so etwas präsentieren, ja, am besten mit Lesung, er avisierte Häppchen und Sekt, bis ich erwähnte, das würde auch prima zueinander passen: ein Krimi über die Weltwirtschaftskrise gelesen in einer Bank, wo doch auch ein Bankdirektor entführt wird.

Bisweilen merkt man auch durch ein Schweigen hindurch, daß der Gesprächspartner sich unwohl fühlt, sich anders hinsetzt, als würden die Pickel am Rücken heftig jucken. “Hm”, sagte er, “also eigentlich machen wir ja gar keine richtigen Lesungen. Da haben wir ja auch gar keinen Platz für! Und präsentieren tun wir auch am liebsten bankspezifische Sachen. Haben Sie denn überhaupt bei uns ein Konto?”

Und wieviel ist da drauf? hätte ich am liebsten ergänzt, doch stattdessen fragte ich zurück, was das denn für bankspezifische Literatur wäre, die dort präsentiert würde. “Nun, zum Beispiel hatten wir hier eine schöne Veranstaltung mit “Eifelgärten” oder “Kochen mit Kräuteröl”…

Dieses Gespräch wurde in der letzten Zeit mein Lieblingsdöntjes und entsprechend oft zum Besten gegeben. Unter anderem auch in der ortsansässigen Metzgerei, deren Inhaber das allerdings überhaupt nicht lustig fand. Zwei Tage später rief er an und berichtete, er habe den Leuten in der Bank “mal so richtig den Senkel poliert” und jetzt würden die natürlich eine Lesung veranstalten.

Während ich noch bemüht war, mir unter Heranziehung der beteiligten Personen das “Senkel polieren” bildhaft vorzustellen (wahrscheinlich etwas ähnliches wie das “Stubbi werfen”, Momente Eifeler Brauchtums, die in ihrer romantischen Verklärung … aber ich schweife ab), klingelte schon das Telefon, und der junge Mann mit den Rückenpickeln war dran, sprach von entsetzlichen Mißverständnissen und was man alles bereit sei zu tun, er müsse alles nur noch mit der Chefetage abklären, aber das sei gar kein Problem, Montag würde man alles besprechen.

Daß die Eifeler Uhren anders gehen, wird mir jeder bestätigen, der die Gepflogenheiten dieses Bergvolkes kennt. Allerdings habe ich bis heute, Donnerstag, noch nichts gehört, was auch auf Inkompabilitäten beim Kalender schließen läßt.

Meine Diagnose ist klar: Die haben angesichts der Thematik von “Totenkammerwald” die bankspezifische Variante des Magendrückens bekommen – das Bankdrücken. Und wenn man so ein richtiges Bankdrücken hat, dann kann man auch nicht telefonieren, das muß erst einmal abheilen, erst recht, wenn die Literatur nicht so richtig was mit Banken zu tun hat.

Immerhin habe ich heute Abend Lesung in Nideggen. Überall, nur nicht in Schleiden selbst. Ein kleines Städtchen, über kurvige Straßen durch die Wälder zu erreichen, mir bis dato völlig unbekannt, birgt aber den Makler, der uns dies Haus hier in Schleiden verkauft hat. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte, trotzdem, ich freue mich auf einen schönen, unterhaltsamen Abend.